Es ist ein vertrautes Klagelied in vielen Schweizer KMU: “Unser ERP ist zu langsam.” “Die Software ist kompliziert und kann das nicht.” “Wenn wir nur ein neues System hätten, wären alle unsere Probleme gelöst.” Das ERP-System wird zum Sündenbock für alles, was im Unternehmen schiefläuft – von Lieferverzögerungen über fehlerhafte Rechnungen bis hin zu frustrierten Mitarbeitern.

Wir sagen es hier in aller Deutlichkeit, wie es unsere Art als Praktiker ist: In neun von zehn Fällen ist nicht das ERP-System das eigentliche Problem. Das Problem sind Ihre Prozesse.

Die Anschaffung eines neuen ERP-Systems, ohne die zugrundeliegenden Prozesse zu hinterfragen, ist eine der teuersten Arten, absolut nichts zu verändern. Es ist, als würde man den Motor eines Traktors in einen Formel-1-Wagen einbauen und sich dann wundern, warum man keine Rennen gewinnt. Dieser Beitrag ist ein Appell, an der richtigen Stelle anzusetzen – bei Ihren Abläufen, nicht bei der Software.

Das Symptom-Falle: Warum wir dem ERP die Schuld geben

Es ist menschlich, die Schuld bei der Technik zu suchen. Ein Software-System ist ein greifbarer, scheinbar einfacher Gegner. Die eigenen, über Jahre gewachsenen und von allen gelebten Prozesse in Frage zu stellen, ist ungleich schwieriger und schmerzhafter. Es bedeutet, die eigene Arbeitsweise und die der Kollegen zu kritisieren.

Typische Symptome werden fälschlicherweise dem ERP zugeordnet:

Symptom (“Das ERP ist schuld!”)Die wahre Ursache (Der Prozess ist schuld!)
“Das System ist zu langsam beim Auftragseingang.”Der Prozess erfordert 5 manuelle Prüfschritte und 3 Medienbrüche, bevor ein Auftrag überhaupt im ERP erfasst wird.
“Die Lagerbestände im ERP stimmen nie.”Es gibt keinen standardisierten Prozess für die Wareneingangs- und -ausgangsbuchung. Jeder macht es ein bisschen anders.
“Ich brauche drei Tage für den Monatsabschluss.”Die Daten werden aus 10 verschiedenen Excel-Listen zusammenkopiert, weil der Prozess nie für eine direkte Verbuchung im ERP ausgelegt wurde.
“Das ERP kann unsere komplexen Rabatte nicht abbilden.”Die Rabattstruktur ist über 20 Jahre historisch gewachsen, widersprüchlich und selbst für erfahrene Mitarbeiter kaum verständlich.

Ein neues ERP-System löst keines dieser Probleme. Im Gegenteil: Es macht sie oft noch schmerzhafter sichtbar. Wenn Sie Ihre chaotischen Prozesse in ein neues, strukturiertes System zwingen, ist das Ergebnis Frustration, Ablehnung und am Ende oft ein gescheitertes Projekt.

Die goldene Regel: Erst Prozess, dann Software

Eine erfolgreiche digitale Transformation folgt immer derselben Regel: Erst die Prozesse analysieren und optimieren, dann die passende Software auswählen.

Ein guter ERP-Partner wird deshalb nie mit einer Software-Demo beginnen. Er wird mit Fragen beginnen:

  • “Zeigen Sie mir, wie ein Auftrag von der Anfrage bis zur Rechnung durch Ihr Unternehmen läuft.”
  • “Warum wird diese Information dreimal manuell erfasst?”
  • “Welcher Schritt in diesem Prozess schafft den grössten Wert für den Kunden? Und welcher nur internen Aufwand?”

Dieser Ansatz, bekannt als “Process Mining” oder einfach nur gesunder Menschenverstand, legt die wahren Schwachstellen offen. Oft sind es historisch gewachsene Umwege, unnötige Freigabeschleifen oder fehlende Verantwortlichkeiten, die die Effizienz bremsen.

Ein ERP-Projekt ist die beste Gelegenheit, Ihr Unternehmen aufzuräumen. Wer diese Chance nicht nutzt, tapeziert nur die Risse in der Wand, anstatt das Fundament zu sanieren.

Matthias Notter, redPoint AG

Erst wenn die optimierten “Soll-Prozesse” klar definiert sind, stellt sich die Frage nach der Software. Und oft stellt man fest, dass das alte ERP-System die neuen, schlanken Prozesse problemlos abbilden könnte. Oder man erkennt, welche spezifischen Anforderungen ein neues System wirklich erfüllen muss – und landet bei einer viel schlankeren, standardnäheren und damit günstigeren Lösung.

Wie Sie aus der Prozess-Falle entkommen

  • Akzeptieren Sie die unbequeme Wahrheit: Seien Sie offen für die Möglichkeit, dass Ihre über Jahre gelebten Prozesse das Problem sein könnten.
  • Beziehen Sie Ihre Mitarbeiter ein: Niemand kennt die Schwachstellen in den Abläufen besser als die, die täglich damit arbeiten. Machen Sie sie zu Prozess-Optimierern, nicht zu Opfern einer neuen Software.
  • Denken Sie vom Kunden her: Fragen Sie bei jedem Prozess-Schritt: “Bringt das unserem Kunden einen Mehrwert? Macht es uns schneller, besser oder günstiger?” Wenn die Antwort “Nein” lautet, ist der Schritt ein Kandidat für die Eliminierung.
  • Fordern Sie Ihren ERP-Partner heraus: Wenn ein Anbieter sofort über Features und Funktionen spricht, anstatt über Ihre Prozesse, ist er Verkäufer, kein Berater. Ein echter Partner wird Ihre Abläufe hinterfragen, auch wenn es weh tut.

Fazit: Hören Sie auf, den Sündenbock zu suchen

Es ist an der Zeit, ehrlich zu sein. Ihr ERP-System ist in den meisten Fällen nicht der Bösewicht. Es ist nur der Spiegel, der Ihnen die Unordnung in Ihren eigenen Prozessen vorhält.

Die gute Nachricht ist: Prozessoptimierung kostet anfangs nur Zeit und den Mut, Gewohnheiten zu hinterfragen – nicht Hunderttausende von Franken für eine neue Software. Und die Ergebnisse sind nachhaltiger und weitreichender als jeder Software-Wechsel.

Wenn Sie bereit sind, diesen ehrlichen Blick in den Spiegel zu wagen, dann sind Sie auch bereit für eine wirklich erfolgreiche Digitalisierung. Ein Partner wie redPoint begleitet Sie auf diesem Weg – mit dem klaren Fokus auf Ihre Prozesse. Denn wir verkaufen nicht nur Software. Wir schaffen Lösungen, die wirklich funktionieren.

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Autor Berater Cloud ERP bei redPoint AG

Matthias Notter

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